Gustinus Ambrosi: Die Kuh, die Kunst, die Wirklichkeit

Wien II, Scherzergasse 1A: knapp 20 Jahre lang Atelier und Wohnung des Bildhauers Gustinus Ambrosi, weitere 20 Jahre Gustinus-Ambrosi-Museum. Doch demnächst wird Ambrosi aus dem Adresskopf der Anlage verschwunden sein. Anmerkungen zu einem österreichischen Schicksal der anderen Art.


„Immi oder Emmi?“ Die Frau Schriftführer ist hörbar gereizt. Alles schien schon vorbei und zu Ende, als da dieser Herr Doktor noch mit seinen Anträgen daherkam. Also: „Immi oder Emmi?“ „IIIIImmission“, schallt es von der anderen Seite des Zimmers 307 im Magistratischen Bezirksamt der Wiener Leopoldstadt, „nicht Emmission.“ Und noch einmal, wiederholend: „. . . das Gutachten über die zu erwartenden IIIIImissionswerte durch einen unabhängigen Sachverständigen . . .“

Um halb neun Uhr früh hat die Verhandlung begonnen, mittlerweile geht sie in die dritte Stunde. „Gegenstand der Amtshandlung ist die Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage im Standort Wien II, Scherzergasse 1A, in welcher die Österreichische Galerie Belvedere das Gastgewerbe auszuüben beabsichtigt“, wird später im Protokoll zu lesen sein.

Wien II, Scherzergasse 1A: Knapp 20 Jahre lang war unter dieser Adresse Atelier, Ausstellungshalle und Wohnung des Bildhauers Gustinus Ambrosi zu finden. Weitere knapp 20 Jahre durfte die ebenerdige Gebäudegruppe, nach Ambrosis Tod, schlicht „Gustinus-Ambrosi-Museum“ heißen. Doch wenn sich am 15. Mai, nach längerer Umbaupause, wieder das Tor Ecke Scherzergasse/Lampigasse öffnet, wird Gustinus Ambrosi aus dem Adresskopf verschwunden sein. „Atelier Augarten“ wird ab da die Anlage genannt und mit ebenso sofortiger Wirkung nicht länger der höheren Ehre und dem Vermächtnis eines einzigen, nun ja, nicht unumstrittenen Künstlers gewidmet, sondern zum „Zentrum für Gegenwartskunst der Österreichischen Galerie Belvedere“ verallgemeinert sein.


Eisenstadt liegt in Ungarn und ist noch als Kismarton geläufig, als am 24. Februar 1893 August Arthur Matthias Josef Ambrosi geboren wird. „Mit sechs Jahren spielte ich Geige“, wird er sich Jahrzehnte später erinnern. „Ich wollte Musiker werden. Das Schicksal wollte es anders: Vor meinem siebenten Lebensjahr erkrankte ich an Gehirnhautentzündung und wurde gerade an meinem siebenten Geburtstag vollständig taub. Das Letzte, was ich hörte, war die Stimme des Arztes: ,Gnädige Frau, meine Kunst ist zu Ende, er muss sterben.‘ Gestorben ist aber nur meine liebe arme Geige, die ich dann zertrümmerte.“

Ambrosi, samt Familie mittlerweile nach Prag übersiedelt, besucht die dortige Taubstummenschule, verlegt sich schon früh aufs Modellieren und tritt, 13 Jahre alt, als Lehrling in die Dekorationsbildhauerei des Jakob Kozourek ein. „Dort lernte ich das Allerwichtigste: das Handwerk! Denn das Handwerk ist die Grundlage aller Kunst, und je größer die Fantasie eines angehenden Kunstjüngers ist, desto mehr sollte er sich befleißigen, das Handwerkliche so gründlich zu erlernen, wie ich es getan habe.“ 1937 schreibt Ambrosi solche dringliche Empfehlung an die nachwachsende Kollegenschaft nieder; da hat ihn sein handwerkliches Können gerade dazu befähigt, ins ständestaatliche Graz einen kolossalen Dollfuß-Kopf zu stemmen. Einen Kopf, der kein Jahr später schon von den Nazis von seinem haushohen Sockel gestoßen werden wird.


„Schreiben Sie nicht schlecht über den Ambrosi.“ Fast flehentlich klingt Carlo Wimmers Stimme am Telefon. Ein paar Tage später stehe ich ihm gegenüber, dem, nach seiner Aussage, „einzigen Schüler Gustinus Ambrosis“. „Der Ambrosi war für mich die Fortsetzung Michelangelos, in einer natürlich anderen Art“, sagt er. Und: „Er war wahrscheinlich der größte Bildhauer des 20. Jahrhunderts, größer als Rodin. Was er auf alle Fälle war: der größte Porträtist.“

Wir sitzen in seinem Atelier in einem Nebengebäude des Wiener Palais Liechtenstein. „Das verdanke ich auch dem Ambrosi“, berichtet er und zieht bereits an seiner dritten Zigarette. Er sei diese Situation einfach nicht gewöhnt, hat er gleich zu Beginn bekannt und gefragt, was er denn jetzt tun und was er lassen solle. „Einfach erzählen.“ Und Carlo Wimmer erzählt: von seiner ersten Begegnung mit Ambrosi im zerbombten Wien der Nachkriegsjahre, davon, wie er ihm geholfen habe, sein zerstörtes Atelier im Prater zu räumen, er erzählt von Ambrosis riesigen Körperkräften, erzählt davon, wie alles still wurde, sobald er wo auch immer einen Raum betrat – und von den „Stümpern“, die heutzutage die Kunstszene bevölkern. Und alles, was Wimmer hier umgibt, erzählt mit: Die wacklige Holztreppe, die in den diesigen Souterrain-Raum führt, die vergilbten Wände, die angestaubten Büsten in den Regalen, verschlissene Vorhänge, abgewetzte Stühle – all das lässt hinter seiner Schäbigkeit Glanz und Gloria des Meisters ahnen und ist doch nichts weiter als Beleg für das Elend des Schülers, für fadenscheinig gewordene Hoffnungen, vermorschte Auserwähltheitsfantasien.

„Wissen Sie“, sagt Wimmer, „zur Kunst wird man geboren, Kunst kommt aus einem heraus. Natürlich muss man auch lernen. Aber im Grunde kann man es, oder man kann es eben nicht. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das meine ich nicht hochnäsig. Ich kann ja nichts dafür.“ Und außerdem: „Sie müssen unbedingt wiederkommen. Dann erzähle ich Ihnen mehr über mich.“ Es scheint recht einsam zu sein, dort, wo die wahre Kunst wohnt.


Mit einem Tod fängt alles an. Ambrosi, mittlerweile in Graz Lehrling bei den Dekorationsbildhauern Suppan, Haushofer & Nikisch, ist 15 Jahre alt, als neben ihm ein Dachdecker in den Tod stürzt: „Noch sehe ich diesen Menschen, sich dreimal überschlagend, in die Tiefe fallen . . . Der Anblick des Entseelten, der mit geöffnetem Munde dalag, als wollte er noch etwas . . . das Letzte . . . sagen, ergriff mich derart, dass ich dieses Werk schaffen musste.“

Dieses Werk, das ist Ambrosis „Mann mit dem gebrochenen Genick“, eine Plastik, die ihm früh Geltung – und Ausstellungsmöglichkeiten verschafft. Und in der schon jenes Credo abzulesen ist, das sein ganzes Leben begleiten wird: „Soll das plastische Schaffen einen Sinn haben, so sei der ethische Beweggrund des Schaffens: Liebe zur Natur und Aufrichtigkeit! Die Natur anbeten und nicht lügen, sich mit der Wirklichkeit abfinden und nicht modern sein sollender Ungeistigkeit nachhängen, das war seit allem Beginnen mein oberstes Gesetz.“

Ein ästhetisches Programm, das in dem ohnehin nicht sonderlich modernetrunkenen Österreich über Jahrzehnte hinweg mehrheitsfähig und seitens unterschiedlichster Machtgefüge wohlgelitten sein wird. Und manches liest sich da bis zum heutigen Tage, als käme es frisch aus der Druckerpresse oder geradewegs aus zeitgenössischem Politikermund: „Die Jugend vermeint gerne, dass man ,anders‘ sein müsse wie die Alten, ach, wie originell wirkt es doch, moderne Kinkerlitzchen und formlosen Schund zu machen, der dann einer gleisnerischen, auf das ,Neueste‘ erpichten Umwelt schmeichelt . . . All dies taugt nichts!“ Basta.

Mit solcher Kunstgesinnung war am Beginn des vorigen Jahrhunderts gut Staat zu machen. Ambrosi ist 18 Jahre alt, als er mit dem Österreichisch-ungarischen Staatspreis für Plastik ausgezeichnet wird, dem kaum 20-Jährigen verleiht Kaiser Franz Joseph ein Staatsatelier auf Lebenszeit. Und der gerade 23-Jährige notiert in sein Tagebuch, das er stets in Du-Form, als inneren Dialog führt: „Du trägst dich immer mit dem Gedanken, dass du nach deinem Tode ein Museum deiner Werke der Menschheit hinterlassen willst.“ Und er wähnt sich schon auf einer Stufe mit Rodin.

Als gelte es, dieses imaginäre Museum so rasch wie möglich auszustaffieren, haut Ambrosi in Stein und gießt in Bronze, was das Zeug hält. Wenn er nicht gerade Allegorisches, Biblisches, Mythisches, jedenfalls stets dramatisch Ringendes sich und der Materie abpresst, dann sind es Köpfe der Zeit, die er in Erz oder in Marmor fasst. Möglichst naturgetreu, sicher, aber doch ganz sanft ins Idealisierte retuschiert. Ja, das bin ich, mag sich mancher gedacht und sich zugleich gewundert haben, welch ein fescher Kerl er doch ist. Kurt Schuschnigg mit einem Profil so schnittig, als käme es aus dem Windkanal. Karl Renner mit den allergütigsten Staatsvateraugen. Mussolini mit trotzig gesenktem Haupt. Päpste und Dichter, Maler und Ärzte, Demokraten und Despoten: Ambrosi macht sie alle gleich – so voll praller Wirklichkeit, wie sie in Wirklichkeit gar nicht sind.


„Ambrosi? Oje.“ Elke Königseder ist wenig erfreut. Und frank und frei gesteht die Expertin für die Kunst des 20. Jahrhunderts im Wiener Auktionshaus Dorotheum, sie fange mit vielem bei Ambrosi einfach nichts an: „Wissen Sie“, korrigiert sich Königseder sofort, „das ist natürlich als Expertenurteil inakzeptabel, aber diese Themen . . .“ Sicher, handwerklich sei er „ganz ausgezeichnet“. Und dann, Königseder blättert durch die voluminöse Monografie, die Franz Renisch, langjähriger Ambrosi-Vertrauter, Anfang der Neunziger vorgelegt hat, dann fänden sich auch „Zeichnungen, die wirklich gut sind. Ich hab‘ auch Kleinskulpturen gesehen, die interessant waren. Aber wenn Gustinus Ambrosi ins Große schreitet . . .“

Welchen Wert dieses Schaffen heute repräsentiere? „Schwer zu sagen“, sagt Frau Königseder. Und auch Gerbert Frodl, als Direktor der Österreichischen Galerie zugleich Herr über Ambrosi-Museum samt künstlerischer Hinterlassenschaft, zeigt sich zurückhaltend: „Da ist einmal in erster Linie ein großer ideeller Wert.“ Und sonst? „Marktfähig“ sei Ambrosi vor allem „als dokumentarischer Porträtist“: „Wobei ich sagen muss: Würde heute so eine Büste wie die des Stefan Zweig aus dem Jahr 1913 auf den Markt kommen, das ist eine wirklich gute Büste, das müsste man anders bewerten, als wenn der Julius Raab in Bronze im Dorotheum auftaucht.“

Konkreter geht’s da schon in der Antiquitätenhandlung „bel etage“ in der Wiener Mahlerstraße zu. Da hat man zwei Ambrosis im Angebot. Und nach ein paar vertrauensbildenden Maßnahmen sind auch Preise kein Firmengeheimnis mehr. Die Bronzeskulptur „Eva nach dem Sündenfall“ aus dem Jahr 1923, 72 Zentimeter hoch, sei für 280.000 Schilling (20.348 Euro) zu haben, für eine Miniaturversion der allenthalben für Ambrosis Hauptwerk gehaltenen Plastik „Promethidenlos“, 64 Zentimeter hoch, müsse man schon eine runde Million, also knapp 73.000 Euro, kalkulieren. Ein dritter Ambrosi sei übrigens erst kürzlich verkauft worden. Nebstbei weiß eine „bel-etage“-Mitarbeiterin, Frau Schedl, auch von älteren Besuchern zu berichten, die im „Promethidenlos“, unübersehbar in der Mitte des Geschäftslokals plaziert, sofort staunend ein Werk ihres hochverehrten tauben Meisters erkennen. Aber auch von jungen Kunststudenten, die sich nicht satt sehen können an der Akribie, mit der hier Finger, Muskel, Adern aus dem Carraramarmor gezaubert sind. „So etwas kriegt man halt heutzutage nicht mehr so rasch zu Gesicht.“


Eine Kuh, flankiert von einer nackten Maid: Das ist eine der wenigen Spuren und sicher die seltsamste, die „Anschluss“ und Nazi-Herrschaft im Werkkatalog Ambrosis hinterlassen haben. „Vom Stil her hätte er ja gut in die Zeit gepasst“, weiß Heimo Kuchling, damals Redakteur der Zeitschrift „Kunst dem Volk“, welche die Ostmärker mit viel solider Tradition sowie dann und wann mit einem neuen Führer in Öl, kurz mit dem Rechten und also Richtigen aufzurüsten hatte. „Aber inhaltlich war Ambrosi nicht wirklich zu Konzessionen bereit, nicht so wie Thorak oder Breker.“ Zudem mag ihm auch seine Nähe zum Ständestaat nicht gerade genützt haben. So blieben ihm von den großen Aufträgen, die Albert Speer im Zusammenhang mit seinen monumentalen Berlin-Planungen unters angepasste Künstlervolk warf, allenfalls Brösel – wie eben jene „Kuh mit Jungfrau“, gedacht für den Park der Reichskanzlei. Sonst, so Kuchling, sei Ambrosi in dieser Zeit eigentlich nicht in Erscheinung getreten. Was sich rasch ändert, kaum ist der Krieg vorbei. Ambrosis Atelier im Prater ist zerstört und geplündert, doch die ständestaatlichen Seilschaften sind intakt. Hans Pernter, unter Dollfuß und Schuschnigg Leiter der Kunstsektion des Unterrichtsministeriums, zuletzt gar Unterrichtsminister, empfiehlt im Namen seiner gerade erst gegründeten Österreichischen Kulturvereinigung Ambrosi für den Professorentitel, der ihm prompt – ohne das übliche Gutachten der Akademie der bildenden Künste abzuwarten – verliehen wird. Ambrosi selbst gibt sich als vormals „Entarteter“, also als Opfer zu erkennen und lädt alles, was halbwegs Rang und Namen hat in der jungen Zweiten Republik, zwecks Büstenerstellung zu sich.

Die Früchte lassen nicht lange auf sich warten. 1951 beschließt der Ministerrat einstimmig, Ambrosi für sein kriegszerstörtes Atelier mit einem Neubau zu entschädigen, der dann – nicht zuletzt dank kräftiger Interventionen durch die selbstredend alsbald verbüsteten Kanzler Figl und Raab – tatsächlich bis 1957 in den Augarten gestellt wird. Ambrosis Gegenleistung: 600 Schilling Monatsmiete – knapp der halbe Monatslohn eines Arbeiters – und die Schenkung von 165 penibel in einem Notariatsakt aufgelisteten Ambrosi-Werken – zwecks Einbringung in jenes Ambrosi-Museum, in das sich sein nunmehr neues Atelier samt Ausstellungshalle und Wohnhaus nach seinem Tod verwandeln soll.

Ambrosis alter Traum wird Wirklichkeit. Doch der Geist der Zeit, so lange treu an seiner Seite, beginnt sich von dem nimmermüden Monomanen abzuwenden: Nicht einmal in Österreich ist die Moderne noch aufzuhalten.


Otto Plettenbacher ist empört: „Ich bin enttäuscht von der Republik. Wir haben uns immer wieder gegen die Auflösung des Ambrosi-Museums gewendet, weil wir der Meinung sind, dass da eine große Idee zugrunde gegangen ist.“ Wir, das ist die Gustinus-Ambrosi-Gesellschaft, der Plettenbacher als Präsident vorsteht. Wehmütig denkt er zurück an die Tage, als noch der gesamte Gebäudekomplex einzig und allein dem Gedenken an seinen vormals so renommierten Bewohner geweiht war: „In den Atelierräumen war eine intakte Bildhauerwerkstätte eingerichtet, das gibt es nirgends mehr. Und Ambrosis Wohnung mit ihrer kostbaren Einrichtung, die hätte doch sicher eine immense Anziehungskraft gehabt – so hat er gelebt, wo haben wir denn das noch?“

Gerbert Frodl sieht die Dinge anders: „Man muss einfach dieses Areal so nutzen, dass es für die Menschen attraktiv wird.“ Deshalb der Umbau mit seinen vielen neuen Annehmlichkeiten: mit neuer Ausstellungstechnik im vormaligen Ambrosi-Atelier, neuen Seminarräumlichkeiten in der vormaligen Ambrosi-Bibliothek, einem neuen Café-Restaurant und einer neuen Künstlerwohnung für künftige Stipendiaten im vormaligen Ambrosi-Heim. Und ein bisschen altem Ambrosi in der alten Ausstellungshalle. Weil es sich halt nicht vermeiden lässt, Herr Direktor? Na ja, die Arbeit von Ambrosi sei eben eine, „die im Moment nicht dem allgemeinen Geschmack“ entspreche. Und Ambrosi-Vermächtnis hin oder her: „Sein Vermächtnis heißt ja wohl nicht: Es soll keiner kommen.“


„Onyx für ungut“: Das ist der Titel einer Glosse im Wiener „Kurier“, der die endgültige Demontage Ambrosis – auch sein Ende als lieb Kind der Politik – einleitet. Der Kunstkritiker Alfred Schmeller, später Leiter des Wiener Museums des 20. Jahrhunderts, zieht im Februar 1963 gegen „Ambrosi, einen Bildhauer mittlerer Güte“, vom Leder. Ambrosi klagt. Schmeller wird verurteilt. Doch den Bericht über den Prozess und seinen Ausgang konterkariert der „Kurier“ unter dem Titel „Ambrosi und das Urteil der Welt“ mit einer Reihe von Wortspenden internationaler Experten, die Ambrosi entweder nicht kennen oder nichts von seiner Kunst halten.

Ambrosis Ruf ist irreparabel ramponiert. Und als wenig später eines seiner alten Lieblingsprojekte, ein Haydn-Denkmal für Eisenstadt, zur Diskussion steht, wirft sich ihm nicht nur Alfred Schmeller, in diesem Fall als burgenländischer Landeskonservator, in den Weg, auch die Landespolitik bekommt, nicht zuletzt ob der beachtlichen Kosten von drei Millionen Schilling, rasch kalte Füße. Ambrosi wird ein Vertrag vorgelegt, der für ihn inakzeptabel sein muss, das Projekt scheitert.

Ambrosi zieht sich zurück – in sein Atelier im Augarten und auf seinen Landsitz der späten Jahre im weststeirischen Stallhofen. Im Winter 1974/75 wird er von einer Lungenentzündung niedergeworfen, ein Medikament lässt ihn, den Tauben, auch noch Geschmack- und Geruchsinn verlieren. Er, der sein Leben lang gearbeitet hat, für den Arbeit wohl auch Flucht aus der ihn stets umgebenden Stille bedeutete, fühlt seine Kräfte schwinden. Am Morgen des 30. Juni 1975, 82-jährig, öffnet Ambrosi den Giftschrank seines Ateliers, entnimmt ihm ein Fläschchen mit der Aufschrift „Patina Renaissance nach Donatello“, schlicht Kupfervitriol, und trinkt einen Viertelliter davon. Noch lebend wird Ambrosi ins Wiener Allgemeine Krankenhaus gebracht. Am nächsten Morgen, um 1.40 Uhr, ist sein Todeskampf zu Ende. „Ende der Polemik“ titelt die „Presse“ ihren Nachruf. Ein Ende jedenfalls.


Susanne Zottl ist’s zufrieden. Mit einer Handvoll Zu-, Um- und Einbauten ist es der jungen Architektin gelungen, dem Fünfzigerjahre-Komplex ein zeitgemäßes Äußeres zu geben, ohne die denkmalgeschützte Substanz zu verfälschen. Wolfgang Beer ist’s zufrieden. Der Herr über die Burghauptmannschaft und also Bauherr des „Ateliers Augarten“ weiß: „Das ist was Gescheites, was wir da gemacht haben.“ Und auch Gerbert Frodl ist’s zufrieden: „Dieses ursprünglich ein bisschen ungeliebte Kind“, das werde „ein sehr geliebtes Kind werden“. „Skulptur in Österreich nach 45“ ist das Thema der Eröffnungsausstellung. Namen von Attersee bis Zobernig finden sich auf der Einladungskarte. Den Namen Ambrosi sucht man vergeblich.


Wolfgang Freitag, „Die Presse“, „Spectrum“, 12. Mai 2001

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